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Evidenz und Polyphonie der Gewissensentscheidung auf dem deutschsprachigen Theater der Frühen Neuzeit
»Read my lips…«, »als Ehrenmann versichere ich Ihnen…« – wer kennt nicht die öffentlichen Beteuerungen von Aufrichtigkeit und Gewissenhaftigkeit? Doch die selten überprüfbaren Wahrheitsinstanzen machen misstrauisch. Muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Wahrheit gesprochen wurde?
Fromholzer untersucht das Spannungsverhältnis von unerschließbarer Innerlichkeit und wahrheitsgemäßer Aussage unter Rückgriff auf das Theater der Frühen Neuzeit. Vom Reformationsdrama bis zu Friedrich Schiller bedarf das Gewissen objektivierbarer Kriterien, sei es als Imitatio Christi oder als aufgeklärte Urteilslegitimation, die seine Autorität gesellschaftlich begründen.
Die deutsche Literatur kreist im 20. Jahrhundert um drei große Themen: die Frage nach den Bedingungen und Weisen poetischen Sprechens, die Konkurrenz zwischen Literatur und technisierten Medien, die Unentrinnbarkeit des Politischen. Systematisch werden vor diesem Hintergrund wesentliche Werke der Prosa, Dramatik und Lyrik des 20. Jahrhunderts in ihren denkgeschichtlichen Kontexten dargestellt. Thematisiert werden der Aufstieg der Sprache, die Kunstrevolutionen zwischen Großstadt, Massenkultur und Avantgardismus sowie die politische Aufladung der Literatur bis hin zu den Machtverwicklungen einiger Dichter. Romane von Thomas Mann, Hans Henny Jahnn und Robert Musil erscheinen als Versuche, die Moderne unter den Bedingungen von Totalitätsverlust zu reflektieren. Behandelt werden Suchbewegungen und Neueinsätze nach 1945 in Sprachexperimenten, im Konflikt um literarische Subjektpositionen in der (Sub-)Kultur und im Horizont von Nation, Migration, ambivalenter Utopie und globalen Topographien. Dem Leser begegnen eine Fülle bekannter und einige weniger kanonisierte Autoren und Werke, deren Stimmen hörbar gemacht werden.
"Ein gewaltiger Verhöhner des Zeitgeistes"
Gerhard Nebel war ein Freigeist und ein Querulant. Er ließ sich in keine Schublade stecken. Ob nun Sozialdemokrat, Marxist, Nihilist, Atheist, Existenzialist oder Metaphysiker: Nichts will auf ihn passen, diesen »gewaltigen Verhöhner des Zeitgeistes«. Seine Texte, voll aufbrausender Leidenschaft, Eigensinnigkeit und Eifer, sind noch heute faszinierend. Im raschen Wechsel seiner Überzeugungen, die Nebel alle stets mit Inbrunst vertrat, spiegelt sich die Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts. Nun wird dieser Querdenker aus dem Umkreis Ernst Jüngers wiederentdeckt. Was er zu Themen wie Ökologie, Medienlandschaft und islamistischer Gefahr zu sagen hat, die wieder hochaktuell sind, wird hier herausgearbeitet.
Zum Werk Barbara Honigmanns
Series:  Makom, Volume: 9
Barbara Honigmann ist eine der bedeutendsten deutschen Schriftstellerinnen unserer Zeit. Sie zeichnet in ihrem Werk die Konturen unserer Zeit nach: die Zäsur von 1945, die Frage nach der Literatur im Angesicht der Shoah, und das Leben in Europa nach der politischen Wende von 1989.
Das Buch versammelt Beiträge von WissenschaftlerInnen, die in Deutschland, Israel und den USA die Literatur Honigmanns im Zusammenhang der deutschen Nachkriegsgeschichte und der zeitgenössischen deutsch-jüdischen Literatur lesen. Da sich Barbara Honigmann in ihrem Werk auch dem heutigen Amerika oder dem Leben im multikulturellen Europa zuwendet, umfassen diese Essays zudem Fragen der Literatur und Kultur im Zeitalter der wachsenden Globalisierung und Neuorientierung in Politik und Gesellschaft.
Spätstil als Stilsuspension
Author:
Welche Besonderheiten kennzeichnen die Texte des späten Kafka?
Erstaunlicherweise hat sich die Forschung mit dieser Frage kaum beschäftigt, obwohl eine Antwort darauf viel zum Verständnis Kafkas beitragen kann.
Malte Kleinwort nähert sich bei der Untersuchung der Charakteristika des späten Kafka den Texten aus verschiedenen Richtungen. Es werden Befunde aus der Handschriftenlektüre analysiert, aber auch generelle Fragen zur Möglichkeit eines Spätstils oder Spätwerks erörtert. Darüber hinaus behandelt Kleinwort in der Studie aktuelle diskurstheoretische Diskussionen zur Bedeutung von Kafkas Tätigkeit bei der Prager Arbeiter- und Unfallversicherungsanstalt. Anhand der im Verlauf der Untersuchung aufgezeigten Verschiebungen und Differenzen zwischen früheren und späteren Texten können neue Ansichten von Kafkas Werk gewonnen werden.

Die Entwicklung der sprachlichen Verhältnisse in Deutschland
Author:
Unsere Sprache ist kein Erbe, das uns die Vorfahren überlassen haben. Die deutsche Schriftsprache ist das Ergebnis einer jahrhundertelangen Spracharbeit in einem sprachlich heterogenen gesellschaftlichen Raum, in dem sich eine bürgerliche Gesellschaft mit ihrer Nationalsprache herausgebildet hat. Diese Spracharbeit hatte zwei Seiten: die Integration der gesellschaftlich heterogenen Bevölkerung und die Auseinandersetzung mit der lateinischen Bildungssprache. Die gegenwärtig so heftig debattierten Fragen, die sich um den Gegensatz des Eigenen und des Fremden drehen, gehören in diese Entwicklung: der Prozess der Spracharbeit ist nicht abgeschlossen. Eine solche Sichtweise verlangt eine historische Vergewisserung. Diese will das Buch möglich machen, indem seine Darstellung von den heutigen Verhältnissen zur germanischen Frühzeit zurückgeht, und die Sprachentwicklung anhand von ausgewählten Quellen veranschaulicht.
Barocke Literalisierungen bei Gryphius, Kleist, Büchner
Worin würde ein Konzept der Literalisierung bestehen? Die Theorie spricht von Literalisierung, wenn sie mit Autoren konfrontiert ist, die einen nicht-metaphorischen Zugang zum Realen anstreben.
Barbara Natalie Nagel macht den Skandal des Literalen als rhetorisches Spiel mit der Opposition von Literal- und Figurativbedeutung lesbar: einer in sich widersprüchlichen literarischen Tradition, die wir übernehmen und deren Effekte und Dramatisierungsmodi daher genaue Untersuchung erfordern. Wie Literalisierungen genau funktionieren, wird an drei theatralen Texten vorgeführt: an Andreas Gryphius’ Leo Armenius, Heinrich von Kleists Die Familie Schroffenstein und Georg Büchners Danton’s Tod. Die Wucht, zu der sich die Sprache im Akt des Wörtlichnehmens zusammenballt, hat dabei immer wieder Kritik an Gryphius’, Kleists und Büchners handgreiflichem Sprachgestus auf den Plan gerufen.
Lyrik und Moderne bei Hegel und Hölderlin
»Die Kunst ist und bleibt nach der Seite ihrer höchsten Bestimmung für uns ein Vergangenes.« Mit diesen Worten verkündete Hegel das Ende der Kunst und leitete damit - ganz ohne es zu wollen - die Entstehung der modernen Poesie ein.
Hegels These vom Ende der Kunst ist seit jeher als eine Provokation der Literatur durch die Philosophie verstanden worden, die deren Platz einzunehmen droht. Hölderlins Poetik kann vor diesem Hintergrund als der gegenläufige Versuch verstanden werden, auf dem Eigenrecht der Literatur zu beharren. Hegels These vom Ende der Kunst findet in dieser Konfrontation mit Hölderlins Poetik eine neue Akzentuierung: Das Ende der Kunst entpuppt sich als das Ende der klassischen Tragödie, das sich auf der Schwelle zur Moderne in Goethes Tasso, Hölderlins Empedokles und Kleists Prinz Friedrich von Homburg exemplarisch zeigt. Auf das Ende der Tragödie reagiert Hölderlin mit einer neuen Form der Lyrik, die für die Ausbildung der Moderne von entscheidender Bedeutung sein wird. In allen drei Dramen wird der traditionelle Raum der Tragödie in Richtung auf andere Gattungsformen wie Pastorale, Lyrik oder Komödie überschritten. Die Tragödie in ihrer klassischen Prägung erweist sich als nicht mehr zeitgemäß. Hölderlins Poetik reagiert am entschiedensten auf diese Diagnose, indem sie auf das geschichtliche Ende der Tragödie mit einer neuen Form der Lyrik antwortet, die sich in den Nachtgesängen und den späten Hymnen auf exemplarische Art und Weise zeigt.
Das Ende der Kunst ist also in Wahrheit ein Neuanfang, der sich vom Diktat der Hegel’schen Philosophie befreit und die moderne Poesie begründet.
Neue kulturwissenschaftliche Lektüren
Thomas Mann ist ein moderner Klassiker. Seit mehr als einem Jahrhundert antworten seine Texte – immer neu, immer anders, bis heute verblüffend – auf die Fragen einer sich wandelnden Gegenwart: so auch auf die neuesten Fragen der Kulturwissenschaft.
Dieses Buch dokumentiert diese Antworten in sechs unterschiedlichen theoretischen Perspektiven. Im Blick auf das Tier zeigt sich Thomas Manns literarische Anthropologie. Queer- und Medien-theoretisch geht es um Skopophilie, Oper, Grammophon und Stimmung. Zu den Institutionen in Thomas Manns Œuvre zählen Eisenbahn, Familie und Operette. Psychoanalytisch kommt mit der Kindheit auch die Scham in den Blick. Die Tradition schließlich schafft literarische Vorbilder wie Einflussangst; Musik bietet dagegen den Trost des Melodischen.
Lustmord in Kriminologie und Literatur um 1900
Author:
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist der Lustmörder eine kulturelle Ikone. Am rasanten Aufstieg dieser Figur sind Kriminologen, Psychiater und Literaten gleichermaßen beteiligt. In wissenschaftlichen und literarischen Fallgeschichten erzählen sie vom Lustmord als einer allgegenwärtigen Gefahr, in deren Ausgrenzung sich eine Gesellschaft ihre eigenen Gesetze und Normen vorzuschreiben versucht.
Vor diesem Hintergrund rekonstruiert dieses Buch die Entstehung kriminologischen Wissens im Schnittfeld von Wissenschaft und Literatur. Dem Lustmord kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Seine besondere Spektakularität trägt nicht nur zur Veranschaulichung und Popularisierung kriminologischer Konzepte bei, sie ist auch ein wesentlicher Bestandteil ihrer Epistemologie.