Bereits ein flüchtiger Blick auf die Architekturgeschichte zeigt: Gebäude sind ebenso im Kontext kultureller (nationaler, regionaler etc.) Differenzen wie im Kontext von Transmissionsprozessen zu sehen. Sie sind Resultate kultureller Evolution, die sich zumeist kaum auf distinkte Einzelfiguren (Heroen der Architekturgeschichte etc.) zurückführen lassen – und verdanken sich einer komplexen Gemengelage aus ökonomischen, politischen, materiellen und stilistischen Faktoren, aus Traditionen, Handwerkerregeln, Software- Rahmenbedingungen etc. Dies alles steht einer als Kulturtheorie verstandenen Architekturtheorie, die sich nicht subjektivistischen Illusionen hingeben will, als analytische, mithin evolutionstheoretische Aufgabe ins Haus. Gleichzeitig hat sich Architekturtheorie – als durchaus auch Subjekt-orientierte Designtheorie – nicht nur dafür zu interessieren, was war und was ist, sondern auch, was sein soll; und dies nicht nur im engeren Sinne von wünschbaren Artefakten, sondern auch im Sinne einer wünschbaren Gesellschaft.
Die Studie beschäftigt sich erstmals dezidiert mit dem Thema Liebe bei Gottfried Keller und untersucht zu diesem Zweck kontrastierend zwei Novellensammlungen, die zusammen Früh- und Spätwerk des Autors umgreifen („Die Leute von Seldwyla“ und „Das Sinngedicht“). Damit soll nicht nur ein Beitrag zur Kellerforschung geleistet, sondern darüber hinaus auch der Versuch unternommen werden, den theoretischen Rahmen von literaturwissenschaftlichen Liebesstudien mit Hilfe der Psychoanalyse zu erweitern. Mit Freud und Lacan wird deutlich, was für ein großer Sprung es von den Verliebtheitsgeschichten der am Imaginären haftenden Seldwyler zur Liebe als symbolischer Sinnverdichtung ist. Wenn es stimmt, dass Kellers „Sinngedicht“ ein Buch über Übertragung ist, dann kann diese Studie zuletzt auch ein Licht auf die literarische Vorgeschichte der Psychoanalyse werfen, die sich für Liebesgeschichten fortan nicht nur zuständig erklärt, sondern die daraus sogar ihre Behandlungstechnik ableitet.