Die Beiträge des Bandes verstehen „Krise“ als einen zentralen Bestandteil kultureller und gesellschaftlicher Institutionen – und gleichermaßen als Ursprung und Effekt von Erzählungen: Einerseits müssen Krisenphänomene narrativ hergestellt, medien-, gattungs- und disziplinspezifisch in Szene gesetzt werden, andererseits dient die Kulturtechnik des Erzählens – nicht nur im engeren Sinne einer talking cure – der Überwindung von und dem Lernen aus Krisen. Dabei stellen Krisen in Erzählprozessen als Ereignis meist den Zeitpunkt unmittelbar vor einem Wendepunkt dar: Krisen erfordern Entscheidungen.
Ausgangspunkt des Bands Ästhetik und Politik der Zerstreuung ist die Annahme, dass die produktive Instanz von Kultur ein anonymer Prozess diskursiver Zerstreuung und Zerstreutheit ist, dem als entgegengesetzte Operationen Formen von Sammlung und Konzentration entgegenwirken. Während letztere die Funktionen der Hierarchisierung, Totalisierung und Identifi zierung übernehmen, also Ordnung stiften in Bereichen, die eigentlich vom Prinzip der Dispersion gekennzeichnet sind, interessieren sich die Beiträge des vorliegenden Bands für ebenjene Momente kultureller Produktion, in denen das Prinzip der Zerstreuung entfesselt wird, Schlupflöcher findet, Grenzen überwindet und Fluchtlinien eröffnet. Angeregt von Überlegungen der Dortmunder Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Ute Gerhard widmen sie sich in exemplarischen Studien den Praktiken, Räumen, Diskursen und Subjektivitäten der Zerstreuung. Auf diese Weise tragen sie dazu bei, ihre spezifische Ästhetik und Politik genauer zu konturieren.
Zu behaupten, dass die Eichendorff-Forschung boomt, wäre gewagt. Das hat viele Gründe. Manche Texte Eichendorffs gelten gemeinhin als ›ausinterpretiert‹, andere Texte stoßen bei germanistischen Rezipientinnen und Rezipienten auf Zurückhaltung – auch derjenigen, die Eichendorff nicht für einen randständigen Romantiker, sondern für ein Schwergewicht der deutschen Literatur halten. Der Band plädiert mit Nachdruck für eine erneute Auseinandersetzung mit Eichendorffs Œuvre. Dazu richtet er einerseits den Blick auf Texte, für die sich die Forschung bisher nur selten interessiert hat, andererseits unternimmt er den Versuch, auch häufig interpretierte Texte und Topoi einer Revision zu unterziehen.
Hölderlins Texte eröffnen eine Bühne der Vielen und des Wandels. Das Buch zeichnet Hölderlins Suche nach einem anderen Zeitraum des Theaters in den Empedokles-Fragmenten, den „Anmerkungen“ zu Sophokles und in den chorischen „Gesängen“ nach. Hölderlin ist nicht am Theater gescheitert; er war nur nicht in der Lage, sich den Bedingungen anzupassen, denen das Theater seiner Zeit unterlag. Inmitten eines historischen Umbruchs sucht Hölderlin nach einer Bühne, auf der dargestellt werden kann, „daß keine Kraft monarchisch ist im Himmel und auf Erden“. Die Handlung des Trauerspiels Empedokles führt aus der Stadt Agrigent und ihrer politischen Bühne hinaus in die „Gegend am Aetna“ – in einen weiten, offenen Raum. Hier wird ein neuer Chor herbeigerufen, der von anderem, Nicht-Figürlichem, singen soll: von Winden, Strömen, Wolken, vom Zug der Vögel.
Robert Musil (1880–1942), der österreichische Autor, der mit dem Roman Der Mann ohne Eigenschaften (1930) bekannt wurde, war von Juni 1916 bis zum April 1917 zunächst Redakteur, dann ab Oktober 1916 Schriftleiter der Tiroler Soldaten-Zeitung. Mit diesem Band liegt nun erstmals eine Studie zur Aktivität Musils in der Tiroler Soldaten-Zeitung vor. Die Beiträge in diesem Band versuchen Musils Rolle als Schriftleiter der nationalistischen Artikel der Soldaten-Zeitung unter die Lupe zu nehmen und im Kontext seines publizistischen Werks zur verorten. Eine besondere Rolle spielt dabei die Diskussion der Autorschaft.
Welche Auswirkungen hat die Ausweitung des Erzählens auf die Galaxis eigentlich für das Erzählen selbst? Und inwiefern zeichnet die galaktische Einbildungskraft nicht nur verantwortlich für Umbrüche auf dem Feld des astronomischen Wissens, sondern auch auf dem Feld der literarischen Ästhetik? Der vorliegende Band nimmt sich dieser Fragen an und lässt dabei die Imagination des Außerirdischen in ihren historischen Verlaufsformen, ihrer epistemologischen Fundierung wie vor allem auch in ihrer poetischen Funktionalität sichtbar werden.
Die Imagination ist eine omnipräsente Kraft, die im Prozess des Schreibens und Lesens wirkt. Genau deshalb kann sie niemals Gegenstand einer reinen Theorie sein. Jeder Text über die Imagination setzt diese bereits ins Werk und ist daher performativ. Manuel Mühlbacher nimmt diese Beobachtung als Ausgangs-punkt, um die Geschichte der Imagination zwischen Rationalismus und Romantik neu zu erzählen. Im 18. Jahrhundert prägt sich ein Bewusstsein dafür aus, dass die Kraft der Imagination letztlich unentrinnbar ist – dass man ihr immer schon unterliegt, während man über sie reflektiert. Bei Shaftesbury, Condillac und Diderot, die im Zentrum der Untersuchung stehen, wird diese Einsicht programmatisch: Ihre Schreibverfahren führen vor, dass es keinen rationalen Standpunkt außerhalb der Imagination geben kann. Nimmt man die Dimension der imaginativen Kraft ernst, so gilt das Augenmerk der Lektüre nicht mehr begriffsgeschichtlichen Entwicklungen, sondern den rhetorischen und literarischen Darstellungsformen, in denen sich die Imagination manifestiert.
„Between us there was, as I have already said somewhere, the bond of the sea“: so schreibt Joseph Conrad, der als Wegbereiter des modernism sowie nostalgischer kolonialistischer Schriftsteller des Empire gilt. Der karibische Nobelpreisträger Derek Walcott greift Conrads „bond of the sea“ auf und refiguriert diese Verbindung. Kathrin Härtls Monographie ist die erste vergleichende Untersuchung der Beziehung von Joseph Conrad und Derek Walcott und ihrer literarischen Texte. Anhand von drei Denkfiguren und drei Schreibformen untersucht sie die Bündnisse, Verbindungen, Verpflichtungen und Fesseln zwischen Walcott und Conrad. Die intertextuellen Bezüge besiegeln zwar den Bund zwischen den Autoren, doch die Verflechtungen der Texte gehen über diese verbürgten Referenzen hinaus.