Vorwort der Herausgeber

In: Imitationen
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Grünbart Münster, Kiel, Dresden

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Schwedler Münster, Kiel, Dresden

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Dass Imitieren ein essenzieller Bestandteil von Kultur ist, ja dass Kunst und soziales Leben dadurch bestimmt werden, darüber ist man sich seit Platon und Aristoteles einig. Was tatsächlich bei der Reflexion über das Nachahmen offen blieb, war die Frage nach dem Verhältnis von den Vorbildern und dem nachahmenden Selbst, also letztlich diejenige nach dem Unterschied zwischen gelebten und gewollten Sein. Dabei wurden Nachahmungen bald Kategorien, wie imitatio morum, imitatio auctorum oder imitatio naturae, zugeordnet. Für die Moderne, die stets das Individuelle betont, ja als Distinktionsmerkmal des Menschen wie einen Glaubenssatz wiederholt, „Sei kreativ!“, gilt Plagiat und Imitat nicht nur als unoriginell, sondern als verwerflich. Doch war das nicht immer so, und gerade für die Jahrhunderte des Mittelalters stand nicht das Nachfolgen selbst in der Kritik, sondern vielmehr das kritische Auswählen der Vorbilder: Imitieren war ein höchst geschätztes Gut, solange das Richtige nachgeahmt wurde, in der richtigen Form, zu den richtigen Zeiten und in der richtigen Intensität.

Der vorliegende Band soll den Umgang mit diesem Phänomen systematisch und aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen erörtern. Im Zentrum steht der mittelalterliche Umgang mit dem Imitieren als einem grundlegenden Faktor für das Entstehen, Entfalten und Reproduzieren von Kultur. Dabei werden die Techniken der Nachahmung nicht im Hinblick auf urheberische Eigenständigkeit bewertet, sondern als Ausweis eines sinnstiftenden Umgangs mit Vorbildern. Somit ist es ein Ziel des Bandes, neue Zugänge zum Thema zu finden und zu überprüfen. Dazu sollen die unterschiedlichen Begrifflichkeiten der einzelnen Disziplinen geklärt, verschiedene Zugangsweisen verknüpft, bekannte Methoden weiterentwickelt und neue Definitionsparameter der Imitation präsentiert sowie an geeignetem Material erprobt werden. Insbesondere gilt es, die folgenden eng mit Imitation zusammenhängenden Begriffe als zentrale Parameter für mediävistische Forschung auszuarbeiten: Reflexion, temporal vorgängige Referenz, Aktion, Funktion, Illusion, Wiedererkennungseffekt, Symbolizität und Abstraktionspotential, Heiligkeitspotential, Hybridität und die Wahrnehmungsgebundenheit.

Ausgangspunkt für den vorliegenden Band war die Tagung „Jagen, Sammeln, Plagiieren – Nachahmung als kulturelles Prinzip“ des DFG-Netzwerks „Imitation“, die vom 9.-11. Februar 2017 an der Universität Zürich stattfand. Sie wurde aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Schweizer Nationalfonds, der Sächsischen Akademie der Wissenschaften sowie der Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung finanziell gefördert. Unser Dank gilt insbesondere dem Fink-Verlag für die zügige Drucklegung sowie den vielen Händen, die bei der Manuskriptredaktion mithalfen, wie insbesondere Marie Jäcker (Kiel) und Nathalie Schmidt (Dresden).

Nicht alle Vorträge der Tagung wurden für die Drucklegung berücksichtigt, es konnte jedoch der Beitrag von Ramy Youssef zur Imitation zwischen Abweichung und Konformität zusätzlich gewonnen werden. Die Beiträge von Jean-Claude Schmitt, Martin Kintzinger und Oliver Auge resultieren aus ihren Vorträgen im Rahmen zweier Sektionen des genannten DFG-Netzwerkes auf dem 18. Symposium des Mediävistenverbandes im Jahr 2019 in Tübingen.

Münster, Kiel, Dresden

Grünbart, Schwedler, Sonntag

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Imitationen

Systematische Zugänge zu einem kulturellen Prinzip des Mittelalters

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