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Vorbilder sind Puppen, Masken, Modelle; sie sind Götter, Stars, Prominente, und sie überzeugen ihr Publikum als Maßstäbe, Phantasmen, Ideale. Vorbilder verkörpern, was zur Wirklichkeit treibt. In ihnen manifestiert sich ein unbedingter Wille zur Realität.
Auch wenn diese Realität im eigenen Tod gipfelt.
Als im Paris des 19. Jahrhunderts unvermittelt eine neue Experimentalkultur in der Medizin und die Crème aus Literatur und Kunst im Hôtel Pimodan auf der Île Saint-Louis aufeinandertrafen, entstand aus dieser Konstellation im Dämmer haschischgeschwängerter Abende die moderne Ästhetik. Die Auflösung des Ich durch die Psychopharmakologie, der künstliche Wahn, legte eine noch brisantere Entfremdung bloß, als die des Geistes von der Vernunft, nämlich die seiner organischen Grundlagen von ihm selbst. Nerval, Baudelaire, Rimbaud, dann auch Mallarmé, zogen daraus die poetischen Konsequenzen; moderne Literatur steht seither unter dem Unstern einer latenten Pathologie, die ihre Entstehungsgeschichte in sie eingesenkt hat.
Das Buch untersucht im ersten Teil die wissenschaftshistorischen (und kolonialen) Voraussetzungen dieser solitären Begegnung von medizinischem Experiment und poetischer Tradition, die bis an die Schwelle des Allgemeinen Krankenhauses in Wien ausstrahlen, wo ein junger Privatdozent der Neuropathologie später erstaunt feststellt, daß seine Krankengeschichten sich wie Novellen lesen.
Im zweiten Teil wird die Bedeutung einer drogeninduzierten »nervalen« Erneuerung der Poesie in den Werken der betroffenen Dichter selbst verfolgt, es zeichnen sich mit einemmal Nachhallmomente einer Urszene der Modernität ab, die bis heute nicht aufgehört hat, die traditionelle literarische Zeichenverwendung zu irritieren.
Über Reichweiten und Begründungen des höchst komplexen Vorgangs »Verzeihung« wird in der Philosophie erst neuerdings intensiver nachgedacht. Lange Zeit scheute man die Befassung mit einem Akt, der sich einer rationalen Handlungsregel nicht fügt, sich nicht als moralische Pflicht ableiten lässt, ja, in Spannung zum Gerechtigkeitsempfinden stehen kann. Klaus-Michael Kodalle zeigt, was es heißt, Verzeihung umfassend zu denken: Ausgehend von bemerkenswerten Denkanstößen im 20. Jahrhundert zeichnet er Grundlinien einer Philosophie der Verzeihung in Neuzeit und Antike nach. Ein »gnadenloses« Denken wird mit jenen Theorien konfrontiert, die das Verzeihen als ausschlaggebendes Ingrediens humaner Lebensverhältnisse begreifen. Die letzten Seiten des Buches gelten den Opfern des Holocaust, deren Stimmen von dem Ringen zeugen, selbst angesichts des unübertreffbar Bösen den Geist der Nachsichtigkeit im Leben zu halten.
Damit wurde nicht zuletzt die Frage nach der adäquaten Perspektive virulent, von der aus sich ein Wissen über diese Innerlichkeiten generieren ließe.
Das Buch nimmt in drei Fallstudien das neurologische Selbstexperiment Henry Heads, Jacques-Joseph Moreau de Tours’ psychiatrische Versuche, den Wahnsinn mit Haschisch zu modellieren, und Benjamin Paul Bloods philosophisch ambitionierten Lachgaskonsum in den Blick, deren Protagonisten sich allesamt dafür entschieden die Innenperspektive einzunehmen und an sich selbst zu experimentieren.