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»In Auschwitz träumten wir nicht, wir delirierten«, sagt Charlotte Delbo im zweiten Teil ihrer Roman-Trilogie Auschwitz et après über ihre traumatischen Erfahrungen als deportiertes Résistance-Mitglied. »Von Auschwitz lässt sich nicht erzählen; allenfalls in Form eines Traums«, so müsste man demgegenüber die Intention Vercors resümieren, der mit seiner Erzählung »Le songe« als einer der ersten Nicht-Inhaftierten versucht, das Grauen der Konzentrationslager literarisch in Worte zu fassen. Dennoch besteht eine auffällige Gemeinsamkeit zwischen beiden Traum-Texten: Die Konzentrationslagerträume aus Charlotte Delbos Trilogie und Vercors’ Erzählung »Le songe« erzählen jeweils von »Muselmännern «; jenen »Untoten«, die für Giorgio Agamben zur »vollkommenen Chiffre des Lagers werden«. Darüber hinaus lassen sich sowohl rhetorisch-stilistische als auch motivische und narratologische Parallelen erkennen, die eine Engführung beider Texte nahelegen: Sie verwenden etwa eine bis an die Grenzen des Erträglichen reichende Sprache der körperlichen Erfahrungen und Sinneswahrnehmungen. Beide konstruieren zudem eine unauflösliche, erzähltechnisch komplexe Verbindung zwischen Erzählstimme, Figuren und Leser. Eine vergleichende Lektüre vollzieht in diesem Beitrag nach, inwiefern das Sterben der Anderen, das jeweils von einem erzählenden Ich beobachtet wird, letztlich nicht mehr von der Erfahrung des eigenen Todes zu unterscheiden ist. Damit lassen sich beide Erzählungen als Versuche lesen, über die geträumte Identifikation mit dem ›Muselmann‹ der Aporie der Shoah zu entgehen, die nach Giorgio Agamben »in doppeltem Sinne ein Ereignis ohne Zeugen [ist]«. Mittels der erzählten Traumerinnerung führen Vercors’ »Le songe« und Delbos Aucun de nous ne reviendra ein Paradox vor Augen, das sich auch als kritische Auseinandersetzung mit dem Topos der Unsagbarkeit verstehen lässt: Sie zeigen, wie Erleben und Bezeugen des Sterbens zusammenfallen.
Insbesondere ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert werden Träume zunehmend als Erfahrungsräume für künstlerische Kreativität nutzbar gemacht. Doch die Rede vom Träumer als Künstler beziehungsweise vom Künstler als Träumer durchzieht nicht nur den philosophischen und kunsttheoretischen Diskurs der Romantik und daran anknüpfender Künstler- und Schriftstellergenerationen. Sie findet sich bis heute in zahlreichen Werken der Literatur, Malerei und Grafik, ja selbst im Theater und in der Musik wieder. Dabei erscheint der Traum als produktiver Bewusstseinszustand, in dem der Kunstschaffende besonders empfänglich ist für die Regungen der eigenen Imaginationskraft oder auch für von außen herangetragene Eingebungen transzendenten Ursprungs.
Ausgehend von den mannigfaltigen literarischen Traumdarstellungen und einem ausgesprochen facettenreichen Umgang der Erzähler mit dem Traummotiv, untersucht das Buch mittelalterliche Erzähltexte, in denen die Liebe mit dem Traum in Verbindung gebracht wird. Unter Berücksichtigung der Geschlechterverhältnisse wendet sich die Studie aus einer komparatistischen und hermeneutischen Perspektive den Fragen zu, wie in deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Erzähltexten des Mittelalters das Liebestraummotiv eingesetzt wird und welche Funktionen die Liebesträume in den einzelnen volkssprachlichen Literaturen erfüllen.
Medienkomparatistisch ausgerichtet, erschließen Wissenschaftler_innen der Alt- und Neuphilologien, Musikwissenschaft, Kunstgeschichte, Theologie, Philosophie, Medien-, Film- und Kulturwissenschaft systematisch die Ästhetik und Poetik von Traumdarstellungen in unterschiedlichen Medien. Aus historischer Sicht werden ferner Traum-Paradigmen aus den europäischen Kulturen von der Antike bis zur Gegenwart analysiert. Wie reagieren Künstler und Intellektuelle verschiedener Epochen auf die Erlebniswelt des Traums und auf das Traumwissen ihrer Zeit? Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen Wissensgeschichte, Kultur und Traumästhetik? Generiert der ›Eigensinn‹ des Traums in den unterschiedlichen Medien neue ästhetische Verfahren?