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Seit den Avantgarden hat das Theater mehr als andere Kunstformen wirkungsästhetische Projektionen auf sich gezogen. Wenn es um Wirkungen von Theater geht, werden in den ästhetischen Diskursen der Moderne sowohl riskante Krisenerfahrungen als auch hochgespannte Heilungserwartungen heraufbeschworen – oft als zwei Seiten derselben Medaille: die Krise ist die Heilung; die Heilung ist die Krise. Welche Versprechungen und welche Enttäuschungen mit dieser Diskursfigur verbunden waren, diskutiert die Studie im Blick auf Theater- und Performancekunst im 20. Jahrhundert, politische Theatralität, Theatertherapie und social theatre.
Matthias Warstat widerspricht all diesen Annahmen. Gesellschaft existiert, auch wenn der Begriff heute jede Selbstverständlichkeit verloren hat. Gesellschaft ist etwas, das sich zeigt. Zudem ist ihre sinnliche Erfahrung an Theatralität gebunden. Nicht abstraktes Wissen, sondern konkrete Bilder und Szenen vermitteln uns das Gefühl, in ihr zu leben: Was für eine Art von Theater wird im sozialen Leben gespielt? In welchen Szenen scheint Gesellschaft auf? Wie tragen die Einzelnen durch ihr theatrales Handeln zur Darstellung von Gesellschaft bei – und was für eine Gesellschaft entsteht auf diese Weise? In zentralen Positionen aus der Sozialtheorie der Moderne sind theatrale Denkfiguren überdeutlich präsent. Das Buch verfolgt diese Linie bis zu prägenden Positionen der letzten Jahrzehnte, um daraus ein eigenes Verständnis gesellschaftlicher Theatralität zu entwickeln.
Vertreter der Theater- und Tanzwissenschaft, der Ethnologie, der Anthropologie, der Theologie und der US-amerikanischen Performance Studies testen die Reichweite dieses Aufführungsbegriffs und entwickeln ihn weiter. Dabei setzen sie drei Schwerpunkte: Erstens wird diskutiert, wovon eigentlich die Rede ist, wenn 'die Aufführung' zur Sprache kommt. Zweitens wird die soziale und politische Dimension von Aufführungen in Bezug auf die Zirkulation von Macht erörtert. Drittens werden unterschiedliche Analysemethoden erprobt.