Die europäische Faszination für das Primitive um 1900 gründete in der Begegnung mit einer Form von Kultur, die genau jenes mediale Apriori nicht besaß, das bis zum Aufkommen technischanaloger Medien das Leitmedium der eigenen Kultur gewesen war: die alphabetische Schrift. Die (alphabet-)schriftlosen Völker wurden nicht nur zum Objekt und Erprobungsfeld des wissenschaftlichen Einsatzes neuer analoger Medientechniken jenseits der alphabetischen Schrift, sie dienten zugleich auch als Metapher und Reflexionsfigur jener Medien selbst. Die medialen Bedingungen der Produktion von Wissen über das Primitive und der primitivistische Diskurs über die neuen Medien sind unmittelbar miteinander verknüpft.
Angesichts des besonders für die interkulturelle Literaturwissenschaft schon seit längerem konstatierten Mankos einer literaturtheoretischen Fundierung ihres Gegenstandes stellt sich das Buch einerseits der (Grundsatz-)Frage nach der Interkulturalität literarischer Texte und ihren entsprechenden Strategien und Verfahrensweisen; andererseits gehen die Beiträge im Einzelnen aber auch der Frage nach, innerhalb welcher kulturellen Muster und diskursiven Formationen sich sowohl die Texte als auch ihre Interpreten jeweils bewegen.