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In welcher Weise ein Musikwerk in Relation zur Lebenswirklichkeit eines Komponisten verstanden werden kann (oder sogar muss), kann bereits mit Blick auf ältere Musik eine wichtige Frage sein. Doch vollends virulent wird dieser Aspekt bei politischer Musik im 20. Jahrhundert, zu der zunächst jene Werke zählen, die funktional gebunden als „Kampfmusik“, Propagandakunst oder Widerstandsmusik zu rubrizieren sind, zu der aber auch jene Werke zu rechnen sind, die auf ein inkommensurables und nicht-verstehbares Ereignis wie den Holocaust zu reagieren versuchen. Betrachtet man verschiedene Konzepte politischer Musik nach dem Zweiten Weltkrieg, ist eine besonders intensive Suche nach Alternativen zu griffi g-eingängigem Engagement festzustellen. Diese Suche, die bewusst über Strategien einfacher Verständlichkeit hinausgeht, kann sich auf unterschiedlichen, wenn auch manchmal miteinander verknüpften Wegen artikulieren. Politische Musik heute weiß um die Kriterien der „klassischen“ politischen Musik vergangener Zeiten, auch um die Kategorien wie die der Notwendigkeit oder des Missbrauchs politischer Kunst und ihres suggestiven Potentials. Ohne Verzicht zu üben auf eine politische Dimension, aber zugleich jenseits der gewohnten „Überredungs“-Strategien operiert diese Musik mit einer bestimmten kritischen bzw. offenen Haltung, die sie auch ihren Rezipienten nahe legt.
Im Mittelpunkt steht dabei der Musikdenker Boulez, der das Kompositorische selbst als eine genuine Denkpraxis begreift, die Martin Zenck auf völlig neue Weise als eine Praxis des ›Gestischen‹ versteht. Diese führt auf eine vierfache Signatur zurück: Die Textur der Schrift, ihre Bewegung einerseits, die zweitens den Leib und seine Gebärden einschließt, zum Dritten das synästhetische Spiel der Sinne und ihre verschiedenen Medien, und schließlich das performative Moment der Darbietung, der Präsentation, das auf seine Weise allererst Raum und Zeit entstehen lässt.