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Abstract
Literarische Übersetzung ist Interpretation im umfassendsten und radikalsten Sinne. Basierend auf einem Modell, das für die Übersetzung der Lyrik Walt Whitmans entwickelt wurde, analysiert der Beitrag die Übersetzung Michael Bullocks von Bachmanns Ein Wildermuth. Dabei werden einige semantische ‚Knoten‘ untersucht, an denen sich Original und Übersetzung auffällig unterscheiden. Das Ergebnis dieser Analyse ergibt eine deutliche Hervorhebung des politischen Potenzials der Erzählung. Der Lektürevorschlag des Übersetzers, der bei der Neulektüre der Erzählung berücksichtigt werden könnte, lässt den Richter nicht allgemein (im postmodernen Sinn) an der nicht mehr zu findenden Wahrheit verzweifeln. Er ist vielmehr ein Aktivist in der erstickenden Periode im Österreich (und insbesondere Kärntens) der Nachkriegszeit. Sein Schrei ist Protest, seine Krankheit Strategie. Der Übersetzer ist nicht ‚klüger‘ als der Interpret, aber der übersetzerische Diskurs ‚weiß‘ vielleicht hin und wieder mehr als die Lektüre des Originals. Der Dialog zwischen Ausgangstext und interpretierender Übersetzung führt zu einer informierteren Lektüre von beiden.